Wenn Eltern fehlen, die helfen und fordern
11. August 2008
Weitramsdorf – Am 12. Juli war in Seßlach Ausbildungsmesse. Betriebe präsentierten sich den Hauptschülern aus Weitramsdorf und Sesslach. Alle Schüler, die kommen mussten, waren da, die 9.-Klässler fehlten zu Hauf. „Es macht uns betroffen, wenn die Betriebe in der Region sich Zeit nehmen und in die Schule gehen, um Ausbildungsmöglichkeiten zu präsentieren und ein nicht unerheblicher Teil der Entlassschüler dieses einmalige Angebot ignoriert“, schreiben erzürnt die Bürgermeister Hendrik Dressel und Christian Gunsenheimer im Gemeindeblatt „Weitramsdorfer Nachrichten“ vom 7. August. Dabei, so rechnen sie vor, hätten von den 44 Schulabgängern erst 26 eine Lehrstelle.
Pressesprecher Hermann Zeis von der Arbeitsagentur Coburg möchte diesen Vorwurf nicht so pauschal gelten lassen: „Natürlich gibt es Einzelfälle, aber wenn man tiefer gräbt, findet man auch Gründe.“ In seinem Bezirk, der die Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels umfasst, sind noch 1085 junge Menschen ohne Ausbildung. Dem stehen 456 offene Ausbildungsplätze gegenüber. „Bis September ist da viel in Bewegung. Manche Bewerber haben zwei Angebote und müssen sich demnächst entscheiden, andere möchten weiter auf die Schule gehen“, sagt Zeis. Es gebe die verschiedensten Gründe, warum jemand ein Angebot wie die Ausbildungsmesse nicht besuche. Vielleicht hat er sich bereits bei einem der Betriebe beworben und wartet auf eine Zusage, vielleicht hat er oder sie gerade eine Absage bekommen und braucht Zeit, sich davon zu erholen, oder es ist bereits eine Entscheidung für eine weitere Schulkarriere gefallen. „Unsere Beobachtung ist, dass die Jugendlichen – wie übrigens auch jeder Erwachsene – Zeit brauchen, um eine Absage, die er als Niederlage empfindet zu verarbeiten“, berichtet Zeis. „Wer mit Herzblut eine Bewerbung schreibt, hat mehr Erfolg, das zeigen unsere Untersuchungen auch. Wenn dazu noch die Fähigkeiten für den Beruf und die Motivation hinzukommt, dann schützt das am besten vor Arbeitslosigkeit.“
Die Jugendpflegerin der Stadt Sesslach, Gudrun Rother, fordert dabei auch das Engagement der Eltern ein: „Jugendliche in der Pubertät brauchen Eltern, die ihnen helfen, sie unterstützen aber auch fordern.“ Auch sie war über den geringen Besuch der 9.-Klässler enttäuscht. „Das man in dem Alter zu nichts Bock hat, ist normal, da braucht es die Eltern.“ Besonders positiv hat sie auf der Ausbildungsmesse diejenigen Schüler empfunden, die zusammen mit ihren Eltern auf der Ausbildungsmesse waren. „Da waren auch welche mit Ausbildungsplatz dabei, die sich trotzdem interessiert haben.“
Rainer Kissing, Leiter des Bereichs Ausbildung bei der Industrie- und Handelskammer zu Coburg, betont, dass es für die Betriebe zunehmend schwerer werde, gute Leute zu finden. „Wir haben jetzt schon spürbar weniger Bewerber“, sagt er und das, obwohl die Zahl der Ausbildungsplätze um elf Prozent gestiegen sei.
Diesen Trend beobachtet auch Dr. Bernd Sauer, Pressesprecher der Handwerkskammer in Oberfranken: „Insbesondere im Nahrungsmittelhandwerk, bei Elektro- und Metallberufen oder bei den Heizungs- und Sanitärinstallateuren werden immer Leute gesucht.“ Bei einigen allerdings gäbe es gravierende familiäre oder persönliche Belastungen, da könne man von außen schwer etwas tun: „Diese Jugendlichen brauchen mehr, als eine kleine fachliche Begleitung. Da muss einfach mehr vom Elternhaus kommen.“
Tim Birkner