5. Mai 2008
Wenn Sie an Ihre "echte" Abiturprüfung denken: Was war beide Male gleich? Was war dieses Mal anders?
Andreas Kücker: Am anstrengendsten war das Schreiben mit der Hand. Das bin ich überhaupt nicht mehr gewöhnt. Außerdem waren sofort die alten Fehler aus der Schulzeit wieder da. Ich las ein paar Sätze der Aufgabenstellung, dachte "ist ja spannend, dann mal los", legte los und stellte 20 Minuten später fest, dass der letzte Teil der Fragestellung dem Ganzen eine völlig andere Wendung gab als die, auf die ich eingegangen war. Da musste ich schmunzeln und hörte ich meine alten Lehrer sagen "lest genau", "schaut genau hin". Also diese Prüfungsroutine fehlt einfach. Da geht es den Abiturienten sicher besser. - Dafür haben die den Druck, dass sie bewertet werden, dass das Ergebnis zählt. Dass sie überlegen müssen, was der Prüfer jetzt wohl hören will, welche Begriffe sie auf jeden Fall verwenden sollten, damit sie auf eine bestimmte Anzahl von Bewertungseinheiten kommen. Das konnte ich jetzt natürlich ganz entspannt sehen. Aber Ehrgeiz war schon dabei. Wenn ich das mache, dann auch so gut ich kann.
Welche Frage gefiel Ihnen besonders?
Im Themenkomplex Recht war ein Text zum Schutz des Privateigentums im alten Athen und in Sparta zitiert. Aus diesem Text sollte man die Bedeutung des Privateigentums für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen. Also das hat richtig Spaß gemacht. Das lag aber vielleicht mehr an meiner Zuneigung zum alten Griechenland - ich hatte Griechisch am Casimirianum und das auch noch richtig gern - als an meinem Beruf.
Wieviel haben die Prüfungsfragen mit Ihrem beruflichen Alltag zu tun?
Das Fachgebiet Volkswirtschaft habe ich weg gelassen. Das liegt mir völlig fern. Aber auch die Abiturienten dürfen ja auswählen. Bei den anderen Aufgaben habe ich festgestellt, dass die allesamt eher aus dem Bereich des Controlling stammen. Viele Elemente davon überlasse ich heute Fachleuten wie zum Beispiel meinem Steuerberater. Ich meine, ist ja auch klar. Ich kann von 18-, 19-Jährigen ohne Berufspraxis nicht erwarten, dass die mordsmäßige Marketing-Kampagnen aus dem luftleeren Raum entwickeln können. Aber die Frage welchen Grundsätzen das Nichtraucherschutzgesetz, also das "Gesetz zumSchutz der Gesundheit", Rechnung trägt, fand ich sowohl spannend als auch aktuell. Da hatten die Abiturienten tatsächlich die Aufgabe, ein emotionales und kontrovers diskutiertes Thema auf seine rechtlichen Grundbegriffe zusammenzufassen.
Gab Ihnen die Prüfung Denkanstöße mit?
Nein. Aber meine "echte" Abiturprüfung damals auch nicht. Wenn ich ehrlich bin, war ich froh, als es endlich vorbei war. Man will es hinter sich bringen. Abhaken. Die meisten Leute, denen ich erzählt habe, dass ich noch einmal ein Leistungskurs-Abi mitschreibe, haben nur den Kopf geschüttelt, gesagt, das würden sie nie mehr machen und mich gefragt, warum ich mir das antue. Na, ich habe mitgemacht, weil es interessant ist, sich einer ungewöhnlichen Herausforderung zu stellen.
Was ist Ihnen Ihr Abitur wert?
Es war für mich nie mehr als die Voraussetzung, an die Uni zu kommen. Mich hat auch noch nie jemand nach meinem Abi-Schnitt gefragt. Für mich hat das Abitur völlig unaufgeregt das Kapitel Schule beendet. Mehr nicht. Das nächste Kapitel, das ich aufgeschlagen habe, hatte damit wie gesagt höchstens formal etwas zu tun.
Interview: Christa Burkhardt