7. August 2008
Ahorn – Wolfgang Dultz ist seit 100 Tagen Rentner. Er versucht Ordnung zu schaffen. Doch das ist gar nicht so leicht, denn er hat seinem Nachfolger Martin Finzel das Bürgermeisterbüro leer übergeben wollen. „Da war keine einzige Büroklammer mehr drin. Er sollte die Chance bekommen, bei Null anzufangen“, sagt Dultz. Doch das Bürgermeisterbüro war voll, richtig voll. Irgendwo mussten die Regale voller Ordner hin. „Zuerst dachte ich an durchforsten. Ich habe einen Ordner hergenommen, durchgeblättert und geschaut was weg kann und was ich aufheben möchte.“ Den Plan hat Dultz gleich nach dem ersten Ordner verworfen: „Da hätte ich das Büro erst in zwei Jahren übergeben können.“
Also kam ein Teil der Ordner ins Gemeindearchiv, ein Teil ins Bürgerhaus und ein großer Teil zu Dultz nach Hause. Momentan ist er noch Vorsitzender von vier Vereinen, in vier weiteren sitzt er ebenfalls in der Vorstandschaft. Die Unterlagen für all diese Ehrenämter standen für ihn stets griffbereit im Dienstzimmer, jetzt müssen sie in sein heimisches Büro.
Dort stehen volle Kisten und Kartons auf dem Boden, obwohl die Regale und Schränke schon voll sind. „Ich habe zum Beispiel überlegt, was ich mit den Kalendern seit 1968 machen soll“, sagt er und grinst. „Ich hatte mich entschieden, sie wegzuwerfen.“ Aus dem obersten Karton schaut die Ecke eines Kalenders heraus. „Dann hat der Museumsleiter angerufen und gesagt: Die müssen Sie aufheben.“ Also kamen die ersten 20 Jahre ins Archiv des Rathauses, die zweiten 20 Jahre nach Hause. Die Mitarbeiter im Rathaus fanden den Karton und stellten sie ihrem alten Bürgermeister wieder in den Kofferraum. Nun hat er alle Kalender um sich und blättert in ihnen. „Es ist faszinierend, was ich alles gemacht habe: Sitzungen, Besprechungen, Urlaub – was mir aufgefallen ist, sind die vielen Termine mit einzelnen Menschen.“ Das war ihm immer schon wichtig, das ist ihm auch in den ersten Tagen seiner Rente wichtig.
Ein Mensch ist ihm dabei besonders wichtig. „Ich möchte in meinem Ruhestand versuchen, meiner Frau etwas zurückzugeben. Sie hat mich 40 Jahre lang wahnsinnig unterstützt. Sie durch mein Amt auf Vieles verzichtet. Das kann man nicht mit einem Blumenstrauß machen.“
So plant er mit ihr gemeinsame Reisen. Bislang haben die beiden es immerhin eine Woche lang nach Irdning geschafft, die Partnergemeinde von Ahorn. Mit viel Elan haben sie ein Trainingslager für die Fussballerinnen der Spvgg Eicha vorbereitet. Aber Urlaub ohne ehrenamtliche Arbeit gab es noch nicht. Zwei Städtetouren möchte er mit seiner Frau noch in diesem Jahr schaffen, eine davon vielleicht nach Barcellona. „Dann steht eine Kreuzfahrt an.“ Die hatten die beiden sich zum Abschied gewünscht. Aus vielen kleinen Gutscheinen wurde eine große Kreuzfahrt. Doch bislang war noch keine Zeit zum Buchen.
„Was mich überrascht hat, ist, dass der Terminkalender immer noch so voll ist.“ Als Wolfgang Dultz das Rathaus verließ, druckte er sich seinen Kalender aus. Für jede Woche ein Blatt. An jedem Tag sind inzwischen handschriftlich mehrere Termine eingetragen.
„Ich muss hier Ordnung reinbringen, einen Computer kaufen, damit das alles funktioniert. – Es muss einfach leichter werden“, sagt Wolfgang Dultz. Vor 40 Jahren war er der erste im Landkreis, der im Einwohnermeldeamt auf Computer setzte, heute kann er die Einladungen zu den Kreistagssitzungen nicht per E-Mail empfangen. „Als einer von sechs - das wurmt mich schon.“
Er steht zwischen seinen Kartons mit Erinnerungen. Zum Beispiel der Karikatur, die er in Irding geschenkt bekommen hat. Im Hintergrund ist eine Mischung aus dem Irdinger und dem Ahorner Rathaus zu sehen. Menschen, Geschichten und viel Papier zeichnen ihn aus, da scheint er sich wohl zu fühlen: „Ein Foto bei der Gartenarbeit? Das wäre nur Show – das macht alles meine Frau.“
Tim Birkner